Es war ihr nicht leicht gefallen hierher zu kommen. Doch da war sie nun. Die Türen waren zu und zurück konnte sie nicht mehr. Und was auf sie zukommen würde, liess ihre Knie weich werden, ihr Herz wilder pochen und ihre Gedanken um die selbst erdachten Szenarien kreisen. Was, wenn alles schief laufen würde? In dem Moment wünschte sie sich bloss, dass sie sich an einen anderen Ort teleportieren könnte. Vielleicht an den Strand in den Philippinen, oder in die Himalaya Berge, die sie schon lange einmal sehen wollte. Oder vielleicht einfach nur nach Hause zu ihren zwei Hunden, die sie stundenlang knuddeln könnte, und die sie immer, bei jedem noch so schlechten Tag, aufheitern konnten. Aber sie hatte keine Wahl, es war zu spät. Sie stand da, hinter zwei riesigen roten Vorhängen. Noch waren sie geschlossen. Der Moment gefiel ihr nicht, doch sie musste da durch, das war ihr mittlerweile klar geworden. Sie musste all ihren Mut zusammennehmen und über ihren eigenen Schatten springen. Sie musste Ihre Angst überwinden und sich selbst zeigen, dass sie es konnte! Die Stimme des Moderators, der auf der anderen Seite des roten Vorhangs stand, war in dem Moment ihre einzige Quelle von Sicherheit, denn solange sie ertönen würde, konnte sie schön hinter den geschlossenen Vorhängen bleiben. Doch die Stimme konnte jeden Augenblick verstummen und der angespannten Stille erliegen. Und plötzlich war es soweit. Die Stimme verschwand und ebenso das letzte Echo davon. Es war still. So still wie das All. Und alles was sie hörte war das Pochen ihres Herzen und ihr flacher Atmen, der sich für sie so laut anhörte, dass es sogar die schwerhörige Grossmutter in der hintersten Reihe im Saal hören musste. Die falten der Vorhänge begannen sich langsam zu bewegen und durch den Spalt der sich in der Mitte öffnete, strahlte ein grelles weisses Licht, welches sie so fest blendete, dass sie das Publikum nicht sehen konnte. Das war ihr auch recht. Sie schloss ihre Augen, nahm einen tiefen Atemzug und hielt einen kleinen Moment inne, bevor sie die ganze Luft, die sie in ihren Lungen hielt, mitsamt aller Nervosität wieder ausatmete. Langsam, aber mit Druck – bis die Muskeln noch den letzten Luftrest aus ihren beiden Lungenflügeln pressten. Und mit dem nächsten Atemzug, weich, wie eine Feder, die auf Samt landet, liess sie all die Anspannung los, die sie in ihren Händen, ihrem Kiefer, ihrem Kehlkopf hielt. Und im selben Moment wo sie all ihre Muskeln lockerte, gab es einen Muskel, der sich leicht anspannte und zuvor für lange Zeit im Ruhemodus war. Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem scheuen Lächeln. Und was dieses scheue Lächeln auslöste, konnte sie selbst nur als ein Wunder bezeichnen. Die lauten Stimmen in ihrem Kopf, ihre wilden Vorstellungen, ihre destruktiven Gedanken wurden leiser und leiser, wurden machtlos, wurden stumm. Und für einen Augenblick war alles leer. Es gab nichts, woran sie in diesem Moment denken konnte. Stattdessen nahm sie war, wie sich eine totale Ruhe in ihr ausbreitete. Jeder Muskel, jede Ader, jede Zelle war umhüllt von dieser Ruhe. Sie konnte nicht anders, als einfach nur im Jetzt zu sein. Und es fühlte sich an, als wäre sie Zuhause angekommen. Dort, wo alles gut und sicher ist. Dort wo es keine Sorgen gibt. Und genau dort wo sie sich jetzt befand, wusste sie, dass alles gut ist und sie bereit war. Bereit für was auch immer kommen mochte.